Begriff der Reihe


by Mathe für Nicht-Freaks

(Analysis 1 )

In den vorigen Kapiteln haben wir uns mit Folgen und deren Grenzwerten auseinandergesetzt. Dieses Konzept wollen wir nun nutzen, um unendliche Summen mathematisch exakt zu beschreiben. Dabei werden wir auf den Begriff der Reihe stoßen, den wir in den nächsten Kapiteln untersuchen wollen.

Motivation der Reihe

Was ist ? Hier kann man so vorgehen: Wir starten beim Quadrat mit der Seitenlänge 1. Dessen Flächeninhalt ist . Nun halbieren wir abwechselnd die horizontale und die vertikale Seite. Man erhält so das Rechteck mit dem Flächeninhalt , danach das Quadrat mit der Fläche , dann das Rechteck mit der Fläche und so weiter. Diese Rechtecke können wir geschickt anordnen:

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Visualisierung der geometrischen Reihe [Quelle]

Wenn wir alle Flächen zusammenaddieren, erhalten wir ein Rechteck mit den Maßen und dem Flächeninhalt . Der Wert der unendichen Summe sollte also gleich 2 sein. Wir kommen zum selben Ergebnis, wenn wir die Teilsummen der unendlichen Summe bestimmen:

Die Werte der Teilsummen scheinen gegen 2 zu streben. Das unterstützt die These, dass ist.

Wir haben gerade einer unendlichen Summe einen Wert zugeordnet. Doch jetzt stellt sich die Frage, wie wir das intuitive Konzept einer unendlichen Summe exakt definieren können. An dieser Stelle eröffnen sich einige Fragen:

  • Wie können wir generell den Wert einer unendlichen Summe bestimmen?
  • Gibt es unendliche Summen, denen wir keinen Wert zuweisen können?
  • Wie unterscheidet man unendliche Summen, denen ein Wert beziehungsweise denen kein Wert zugewiesen werden kann?

In diesem Kapitel stellen wir mit dem Konzept der Reihe die formale Definition einer unendlichen Summe vor. Wir werden Reihen mit Hilfe von Partialsummen (= „Teilsummen") definieren. Die Partialsummen bauen auf dem Begriff der endlichen Summe auf. In späteren Kapiteln beantworten wir die Frage, welchen unendlichen Summen wir einen Wert zuweisen können und welchen nicht.

Partialsummen

Da wir inzwischen wissen, wie endliche Summen definiert sind, können wir uns der formalen Definition einer unendlichen Summe widmen. Hierzu starten wir mit der Form, die uns intuitiv plausibel erscheint:

Wir betrachten zunächst die Folge der Teilsummen:

Diese Folge werden wir später benutzen, um unendliche Summen zu definieren. ist die Summe der ersten Summanden und stellt eine endliche Summe dar:

Diese Teilsummen werden in der Mathematik Partialsummen (aus dem Lateinischen, von pars = Teil) genannt. Sie sind ein endlicher Teil der unendlichen Summe. Die formale Definition lautet:

 
Definition

Partialsumme
Sei eine beliebige Folge in . Unter der -ten Partialsumme von versteht man die Summe der ersten Glieder von , das heißt:

Reihe

Der Wert einer unendlichen Summe sollte dem Grenzwert ihrer Partialsummen entsprechen:

Wir können zuerst die Folge aller Partialsummen bilden und dann ihren Grenzwert betrachten. Wir definieren zunächst die Folge der Partialsummen als Reihe. Für eine Reihe schreiben wir hier . Diese Schreibweise ist ähnlich zur -ten Partialsumme . Der einzige Unterschied ist, dass wir als Endwert des Laufindex nicht , sondern das Unendichkeitssymbol verwenden. Wir definieren also:

 
Definition

Reihe
Sei eine beliebige Folge in . Unter einer Reihe versteht man die Folge aller Partialsummen von , das heißt:

Als Nächstes setzen wir den Grenzwert der unendlichen Summe mit dem Grenzwert der Partialsummenfolge gleich. Die Partialsummenfolge ist eine gewöhnliche Folge. Entweder sie besitzt einen Grenzwert oder sie divergiert. Divergiert die Partialsummenfolge, divergiert auch die unendliche Summe beziehungsweise die Reihe. Konvergiert die Partialsummenfolge, setzt man den Wert der unendlichen Summe mit dem Grenzwert der Partialsummenfolge gleich. Eine unendliche Summe ist also dasselbe wie der Grenzwert der dazugehörigen Folge von Partialsummen. Auch für diesen Grenzwert der Partialsummenfolge benutzen wir die Schreibweise :

 
Definition

Grenzwert einer Reihe
Der Grenzwert einer Reihe ist der Limes der Partialsummenfolge

Ist eine Reihe eine Zahl oder eine Folge?

Wie wir bereits bemerkt haben, wird der Ausdruck sowohl für die Folge der Partialsummen (= Reihe) als auch für den Grenzwert der Partialsummenfolge (= Wert der Reihe) verwendet. Das widerspricht grundlegenden Prinzipien der Mathematik, wonach Schreibweisen eindeutig sein müssen. Der Ausdruck sollte nicht gleichzeitig eine Folge und einen Grenzwert, also eine reelle Zahl, bezeichnen. So schreibt Otto Forster in seinem Buch zur „Analysis 1“:

„Das Symbol bedeutet also zweierlei:"

  1. Die Folge der Partialsummen.

  2. Im Falle der Konvergenz den Grenzwert

Beim Ausdruck müssen wir also darauf achten, ob damit die Partialsummenfolge oder ihr Grenzwert gemeint ist. In den meisten Fällen können wir das allerdings schnell aus dem Kontext schließen.

Zusammenfassung

Wir haben die Idee einer unendlichen Summe formal so definiert:

  1. Wir haben die Summe der ersten Summanden als -te Partialsumme definiert.
  2. Wir haben die Folge der Partialsummen Reihe genannt. Der Grenzwert dieser Reihe entspricht dem Wert der unendlichen Summe.

Folge der Restglieder

Wir haben gesehen, dass eine Reihe dasselbe wie eine Partialsummenfolge ist. Gehen wir nun davon aus, dass die Reihe konvergiert. Der Grenzwert von existiert also und entspricht dem Grenzwert Damit ist .

Betrachten wir nun den Unterschied zwischen den Partialsummen und dem Grenzwert der Reihe. Die Differenz zwischen der -ten Partialsumme und dem Reihengrenzwert wird -tes Restglied genannt. Sie entspricht dem Fehler zwischen der -ten Partialsumme und dem Reihengrenzwert.

Die formale Defintion des -ten Restglieds lautet:

 
Definition

-tes Restglied einer Reihe

Sei eine beliebige Reihe. Als -tes Restglied dieser Reihe bezeichnet man die Reihe:

Die Restglieder sehen so aus:

Nun betrachten wir die Folge der Restglieder . Wie verhält sich diese Folge? Wir haben oben schon erwähnt, dass es bei konvergenten Reihen Sinn ergibt, wenn . Dies wird formal über den folgenden Satz festgehalten:

 
Definition

Folge der Restglieder

Sei eine beliebige konvergente Reihe. Dann konvergiert die Folge der Restglieder gegen 0.

 
Hinweis

In der Praxis ist es normalerweise nicht möglich, eine explizite Darstellung für die Restgliederfolge anzugeben. Jedoch können oft Abschätzungen gefunden werden. So werden wir bei alternierenden Reihen mit Hilfe des Leibniz-Kriteriums eine Fehlerabschätzung der Restglieder für solche Reihen herleiten. Ebenso können bei Taylorreihen Fehlerabschätzungen gefunden werden.

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