In dem letzten Kapitel haben wir den Begriff des Grenzwerts einer Folge kennengelernt. Du hast auch gesehen, wie man die Konvergenz einer Folge mit Hilfe der Epsilon-Definition des Grenzwerts beweisen kann. Für den Konvergenzbeweis mit der Epsilon-Definition ist es aber notwendig, den Grenzwert der Folge zu kennen bzw. eine Vermutung zu haben, was der Grenzwert der Folge sein könnte.
Die Epsilon-Definition des Grenzwerts lautet nämlich: Zu jedem
Wie kann man beweisen, dass eine Folge konvergiert, ohne den Grenzwert dieser Folge zu kennen?
Wie würdest du dieses Problem lösen? Ein erster Ansatz ist folgende Hypothese:
Eine Folge konvergiert genau dann, wenn der Abstand zwischen benachbarten Folgengliedern beliebig klein wird.
Diese Hypothese ist plausibel. Ist aber dieses Kriterium ausreichend? Leider nicht! Nimm zum Beispiel die Folge
Die Folge wird beliebig groß und divergiert damit. Der Abstand benachbarter Folgenglieder wird aber beliebig klein. Hier siehst du, dass wir ein stärkeres Kriterium als unsere obige Hypothese benötigen. Cauchy-Folgen erfüllen genau dieses stärkere Kriterium.
Nehmen wir die Epsilon-Eigenschaft des Grenzwerts und „spielen“ ein wenig damit herum. Wenn eine Folge
Fixieren wir ein
Insgesamt erhalten wir mit Hilfe der Dreiecksungleichung folgende Abschätzung für
Folgenglieder nach
Obige Epsilon-Umgebung besitzt die Breite
Diesen Ausdruck können wir nun schöner schreiben. Hierzu setzen wir
Folgen mit dieser Eigenschaft werden Cauchy-Folgen genannt. Du siehst, dass diese Definition nicht auf den Grenzwert einer Folge zugreift. Später werden wir sehen, dass eine reelle Folge genau dann konvergiert, wenn sie eine Cauchy-Folge ist. So kann man die Konvergenz einer Folge beweisen, ohne den Grenzwert kennen zu müssen.
Hinweis: In den folgenden Abschnitten werden wir auch bei Cauchy-Folgen wieder
Cauchy-Folge
Eine Folge
Intuitiv gesprochen ist eine Folge genau dann eine Cauchy-Folge, wenn die Abstände der Folgenglieder untereinander beliebig klein werden. Beachte, dass hier mehr als nur der Abstand direkt benachbarter Folgenglieder gemeint ist. Zur Illustration:
Wir haben die Definition der Cauchy-Folge als Alternative zur Konvergenzdefinition hergeleitet. In den folgenden Abschnitten werden wir beweisen, dass bei reellwertigen Folgen jede Cauchy-Folge konvergiert und umgekehrt. Beginnen wir mit dem Beweis, dass konvergente Folgen Cauchy-Folgen sind:
Jede konvergente Folge ist eine Cauchy-Folge.
In der Einleitung haben wir eigentlich schon den Beweis für den Satz aufgeschrieben. Hier haben wir nämlich ausgehend von der Epsilon-Definition der Konvergenz die Definition einer Cauchy-Folge hergeleitet. Um den Beweis schöner zu schreiben, sollten wir aber nicht den Umweg über die neue Variable
Sei
für alle
Genau wie bei konvergenten Folgen können wir folgenden Satz beweisen:
Jede Cauchy-Folge ist beschränkt.
Dieser Satz verwundert nicht. Wir haben Cauchy-Folgen eingeführt, um mit innen die Konvergenz einer Folge zeigen zu können. Jede Cauchy-Folge soll nämlich konvergieren (wir werden sehen, dass dies für reelle Folgen tatsächlich gilt) und konvergente Folgen sind bekanntlich beschränkt. Der Beweis zum obigen Satz ist ähnlich wie der entsprechende Beweis bei konvergenten Folgen:
Sei
für alle
Vor
Insgesamt ist die Folge damit nach oben durch
Es folgt nun ein (Hilfs-)Satz, den wir später benötigen werden, um die Konvergenz einer (reellwertigen) Cauchy-Folge zu beweisen:
Cauchy-Folgen mit konvergenten Teilfolgen konvergieren
Jede Cauchy-Folge
Sei
Kommen wir nun zum eigentlichen Grund, warum es sich lohnt, CauchyFolgen zu studieren. Wir können nämlich zeigen, dass jede Cauchy-Folge konvergiert. Es gilt der Satz:
Cauchy-Folgen konvergieren
Sei
Weil in der Definition einer Folge ihr Grenzwert keine Rolle spielt, können wir mit dem obigen Satz die Konvergenz einer Folge nachweisen, ohne deren Grenzwert kennen zu müssen. Dies ist insbesondere in Beweisen hilfreich, bei denen die zu betrachtende Folge so allgemein ist, dass wir ihren Grenzwert nicht kennen können.
Bevor wir uns mit dem Beweis beschäftigen, möchten wir dir noch zeigen, wie wichtig die Grundmenge ist. Nehme hierzu von
Diese Folge konvergiert gegen
Wir sehen, wie wichtig die Grundmenge für den obigen Satz ist. Wir sehen auch, dass wir im Beweis die Vollständigkeit von
Sei