Cauchy-Folgen


by Mathe für Nicht-Freaks

(Analysis 1 )

Motivation

In dem letzten Kapitel haben wir den Begriff des Grenzwerts einer Folge kennengelernt. Du hast auch gesehen, wie man die Konvergenz einer Folge mit Hilfe der Epsilon-Definition des Grenzwerts beweisen kann. Für den Konvergenzbeweis mit der Epsilon-Definition ist es aber notwendig, den Grenzwert der Folge zu kennen bzw. eine Vermutung zu haben, was der Grenzwert der Folge sein könnte.

Die Epsilon-Definition des Grenzwerts lautet nämlich: Zu jedem gibt es ein , so dass die Ungleichung für alle erfüllt ist. Dabei ist der Grenzwert der Folge . Du siehst: In der EpsilonDefinition muss man den Grenzwert kennen. Doch wie können wir die Konvergenz einer Folge zeigen, wenn es sehr schwer oder sogar unmöglich ist, den Grenzwert der Folge zu bestimmen? Deshalb steht in diesem Kapitel folgende Frage im Vordergrund:

Wie kann man beweisen, dass eine Folge konvergiert, ohne den Grenzwert dieser Folge zu kennen?

Wie würdest du dieses Problem lösen? Ein erster Ansatz ist folgende Hypothese:

Eine Folge konvergiert genau dann, wenn der Abstand zwischen benachbarten Folgengliedern beliebig klein wird.

Diese Hypothese ist plausibel. Ist aber dieses Kriterium ausreichend? Leider nicht! Nimm zum Beispiel die Folge

Die Folge wird beliebig groß und divergiert damit. Der Abstand benachbarter Folgenglieder wird aber beliebig klein. Hier siehst du, dass wir ein stärkeres Kriterium als unsere obige Hypothese benötigen. Cauchy-Folgen erfüllen genau dieses stärkere Kriterium.

Herleitung von Cauchy-Folgen

Nehmen wir die Epsilon-Eigenschaft des Grenzwerts und „spielen“ ein wenig damit herum. Wenn eine Folge gegen konvergiert, dann wissen wir aus der Epsilon-Definition der Konvergenz:

Fixieren wir ein . Es gibt dann einen von abhängigen Index , so dass für alle ist. Seien nun . Damit ist

Insgesamt erhalten wir mit Hilfe der Dreiecksungleichung folgende Abschätzung für :

Folgenglieder nach müssen also alle untereinander einen Abstand kleiner als besitzen. Dies kann auch aus folgender Überlegung gefolgert werden: Alle Folgenglieder nach müssen in der -Umgebung liegen:

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Die Epsilon-Umgebung von [Quelle]

Obige Epsilon-Umgebung besitzt die Breite . Da alle Folgenglieder nach in dieser Umgebung liegen, muss inr Abstand untereinander kleiner als sein. Insgesamt haben wir also für die konvergente Folge folgendes gezeigt:

Diesen Ausdruck können wir nun schöner schreiben. Hierzu setzen wir . Wenn alle positiven Zahlen durchläuft, dann durchläuft auch alle positiven Zahlen. Die Abbildung bildet nämlich bijektiv auf ab (diese Abbildung nutzen wir, wenn wir setzen). Damit ist

Folgen mit dieser Eigenschaft werden Cauchy-Folgen genannt. Du siehst, dass diese Definition nicht auf den Grenzwert einer Folge zugreift. Später werden wir sehen, dass eine reelle Folge genau dann konvergiert, wenn sie eine Cauchy-Folge ist. So kann man die Konvergenz einer Folge beweisen, ohne den Grenzwert kennen zu müssen.

Hinweis: In den folgenden Abschnitten werden wir auch bei Cauchy-Folgen wieder anstelle von nutzen.

Definition von Cauchy-Folgen

 
Definition

Cauchy-Folge
Eine Folge heißt Cauchy-Folge, wenn es zu jedem eine natürliche Zahl gibt, so dass für alle ist.

Intuitiv gesprochen ist eine Folge genau dann eine Cauchy-Folge, wenn die Abstände der Folgenglieder untereinander beliebig klein werden. Beachte, dass hier mehr als nur der Abstand direkt benachbarter Folgenglieder gemeint ist. Zur Illustration:

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Eine Cauchy-Folge: Der Abstand der Folgenglieder untereinander wird beliebig klein [Quelle]

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Keine Cauchy-Folge: Der Abstand der Folgenglieder untereinander wird nicht beliebig klein [Quelle]

Jede konvergente Folge ist eine Cauchy-Folge

Wir haben die Definition der Cauchy-Folge als Alternative zur Konvergenzdefinition hergeleitet. In den folgenden Abschnitten werden wir beweisen, dass bei reellwertigen Folgen jede Cauchy-Folge konvergiert und umgekehrt. Beginnen wir mit dem Beweis, dass konvergente Folgen Cauchy-Folgen sind:

 
Definition

Jede konvergente Folge ist eine Cauchy-Folge.

Beweis

In der Einleitung haben wir eigentlich schon den Beweis für den Satz aufgeschrieben. Hier haben wir nämlich ausgehend von der Epsilon-Definition der Konvergenz die Definition einer Cauchy-Folge hergeleitet. Um den Beweis schöner zu schreiben, sollten wir aber nicht den Umweg über die neue Variable gehen. Hierzu müssen wir einfach und fordern, damit am Ende der Abschätzung und nicht rauskommt.

Sei eine beliebige konvergente Folge. Sei . Es gibt dann ein mit

für alle . Sei nun beliebig. Es ist

Jede Cauchy-Folge ist beschränkt

Genau wie bei konvergenten Folgen können wir folgenden Satz beweisen:

 
Definition

Jede Cauchy-Folge ist beschränkt.

Erklärung

Dieser Satz verwundert nicht. Wir haben Cauchy-Folgen eingeführt, um mit innen die Konvergenz einer Folge zeigen zu können. Jede Cauchy-Folge soll nämlich konvergieren (wir werden sehen, dass dies für reelle Folgen tatsächlich gilt) und konvergente Folgen sind bekanntlich beschränkt. Der Beweis zum obigen Satz ist ähnlich wie der entsprechende Beweis bei konvergenten Folgen:

Beweis

Sei eine Cauchy-Folge. Wir wissen, dass es zu jedem ein gibt, so dass für alle ist. Setzen wir wie beim Beschränktheitsbeweis konvergenter Folgen . Wir erhalten ein mit für alle . Setzen wir , dann ist

für alle . Damit liegen alle Folgenglieder für im Intervall Somit sind alle Folgenglieder ab dem Index nach oben durch und nach unten durch beschränkt:

Vor liegen nur endlich viele Folgenglieder . Diese sind deswegen zwangsweise beschränkt. So sind sie nach oben durch und nach unten durch beschränkt. Wir haben:

Insgesamt ist die Folge damit nach oben durch und nach unten durch beschränkt.

Cauchy-Folgen mit konvergenten Teilfolgen konvergieren

Es folgt nun ein (Hilfs-)Satz, den wir später benötigen werden, um die Konvergenz einer (reellwertigen) Cauchy-Folge zu beweisen:

 
Definition

Cauchy-Folgen mit konvergenten Teilfolgen konvergieren
Jede Cauchy-Folge , die eine gegen konvergente Teilfolge besitzt, konvergiert gegen den Grenzwert der konvergenten Teilfolge.

Beweis:

Sei eine Cauchy-Folge und eine konvergente Teilfolge der Cauchy-Folge mit dem Grenzwert . Sei beliebig. Aus der CauchyEigenschaft folgt, dass es ein mit für alle gibt. Außerdem gibt es ein mit für alle . Sei eine beliebige natürliche ahl Sei beliebig. Es ist

Jede Cauchy-Folge konvergiert

Kommen wir nun zum eigentlichen Grund, warum es sich lohnt, CauchyFolgen zu studieren. Wir können nämlich zeigen, dass jede Cauchy-Folge konvergiert. Es gilt der Satz:

 
Definition

Cauchy-Folgen konvergieren
Sei eine Cauchy-Folge reeller Zahlen. Dann gibt es eine reelle Zahl , gegen die konvergiert.

Erklärung

Weil in der Definition einer Folge ihr Grenzwert keine Rolle spielt, können wir mit dem obigen Satz die Konvergenz einer Folge nachweisen, ohne deren Grenzwert kennen zu müssen. Dies ist insbesondere in Beweisen hilfreich, bei denen die zu betrachtende Folge so allgemein ist, dass wir ihren Grenzwert nicht kennen können.

Bevor wir uns mit dem Beweis beschäftigen, möchten wir dir noch zeigen, wie wichtig die Grundmenge ist. Nehme hierzu von die Folge der endlichen Dezimalbrüche:

Diese Folge konvergiert gegen und ist damit nach dem Satz aus dem vorherigem Abschnitt eine Cauchy-Folge. Gehen wir nun davon aus, dass unsere Grundmenge und nicht ist. Wir gehen also davon aus, dass es nur rationale Zahlen gibt. Obige Folge besteht nur aus rationalen Zahlen und ist damit eine valide Folge in unserer neuen Grundmenge. Sie ist auch in der neuen Grundmenge eine Cauchy-Folge (der Abstand der Folgenglieder untereinander hat sich beim Ändern der Grundmenge nicht geändert). Jedoch konvergiert obige Folge nicht mehr. Beim Ändern der Grundmenge haben wir nämlich den Grenzwert der Folge entfernt, weil dieser Grenzwert irrational ist. In unserer neuen Grundmenge gibt es keine Zahl, gegen die die Folge konvergiert. Durch das Ändern der Grundmenge wurde die Folge damit divergent.

Wir sehen, wie wichtig die Grundmenge für den obigen Satz ist. Wir sehen auch, dass wir im Beweis die Vollständigkeit von benutzen müssen, denn das Vollständigkeitsaxiom ist das einzige Axiom, was von unterscheidet. Wenn wir die Vollständigkeit nicht benutzen würden, dann müsste der Satz auch in gelten, was er ja nicht tut. Das Vollständigkeitsaxiom werden wir in Form des Satzes von Bolzano-Weierstraß verwenden. In dem Beweis dieses Satzes hatten wir das Vollständigkeitsaxiom bereits verwendet.

Beweis

Sei eine Cauchyfolge. Wir hatten in diesem Kapitel bereits bewiesen, dass diese Folge beschränkt ist. Nach dem Satz von BolzanoWeierstraß muss damit eine konvergente Teilfolge besitzen. Eine Cauchyfolge mit einer konvergenten Teilfolge konvergiert nach dem obigen Satz.

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